Ethik ohne Gott? – Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Alexis Fritz

Seit einem Jahr sind Prof.in Dr. Daniela Blum (Mittlere und Neuere Kirchengeschichte mit Kirchlicher Landesgeschichte) und Prof. Dr. Alexis Fritz (Moraltheologie)nun Lehrstuhlinhaber*innen an der Theologischen Fakultät Freiburg. Am 17. Oktober lasen beide ihre gemeinsame Antrittsvorlesung. Unter den aufeinander bezogenen Titeln „Geschichte mit Gott ?" und „Ethik ohne Gott ?" zeigten sie die Sinnhaftigkeit und Dimensionalität des Religiösen in ihrer jeweiligen Disziplin auf. Alexis Fritz hat anknüpfend an die Antrittsvorlesung für uns noch einmal zusammengefasst, in welchem Spannungsverhältnis theologische und religiöse Bezüge in einer Ethik, die für eine pluralistische Gesellschaft anschlussfähig sein will, stehen.

Fotos: Roberto Ciciarello

In der gegenwärtigen öffentlichen Debatte zeigen sich vielfältige Formen religiöser Sprachstrategien, etwa wenn evangelikale Nationalisten in den USA mit religiös aufgeladenen Narrativen gesellschaftliche Konflikte zuspitzen und politische Agenden prägen. Auch in Deutschland werden religiöse Symbole und Rhetorik von unterschiedlichen Akteuren für Diskussionen über Migration, Lebensrecht oder Gender instrumentalisiert. Dass ein offener Kulturkampf bislang ausbleibt, ist maßgeblich umsichtigen und dialogorientierten Akteuren in Kirchen und Theologie zu verdanken.

Gleichwohl steht die Öffentlichkeit vor einem Paradoxon: Christliche Werte und Gottesbezüge sind institutionell weiterhin präsent, etwa in Verfassungen, im Bildungswesen oder bei staatlichen Zeremonien, doch dominiert im Diskurs eine säkular geprägte Sprach- und Argumentationskultur. Um anschlussfähig zu bleiben, vermitteln kirchliche Stimmen ihre Anliegen zunehmend in säkularer Sprache. Religiöse Begriffe wie „Gottesebenbildlichkeit“ oder „Heiligkeit des Lebens“ werden durch allgemein akzeptierte Werte – Menschenwürde, Lebensrecht – ersetzt. Die traditionell geprägte religiöse Sprach- und Denkfähigkeit verliert dadurch gesamtgesellschaftlich an Bedeutung und verlagert sich in kleinere, digital vermittelte Milieus, wo sie zugleich neue Risiken birgt. Gerade für die Theologie bedeutet dies, sich nicht zwischen evangelikaler Selbstgewissheit und säkularer Übersetzungssprache aufreiben zu lassen, sondern einen eigenständigen, dialogfähigen Weg zu finden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle religiöse Rede und Gottesbezüge für die Ethik einer pluralistischen Gesellschaft heute noch spielen können. Die Antrittsvorlesung setzte an dieser Leitfrage an: Sie analysierte die Funktion von Moral und Ethik in Religionen, diskutierte klassische Positionen der Moralphilosophie zur Beziehung zwischen Ethik und Religion und zeichnete grundlegende Paradigmenwechsel der katholischen Moraltheologie nach. Abschließend wurde gezeigt, welchen eigenständigen Beitrag religiöse Motive heute zur Begründung, Sinnstiftung und Motivierung moralischen Handelns leisten können – insbesondere im Blick auf Themen wie Menschenwürde, Generationengerechtigkeit und globale Verantwortung. Die Herausforderung bleibt, religiöse Ressourcen in den ethischen Diskurs konstruktiv einzubringen, ohne Pluralität und Autonomie preiszugeben.

Alexis Fritz

Alexis Fritz ist seit dem Wintersemester 2024/25 Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät. Er studierte katholische Theologie und Philosophie in Graz, Innsbruck und Rom und promovierte in Freiburg mit einer Arbeit zum naturalistischen Fehlschluss. Vor seiner Lehrtätigkeit in Freiburg war er Lehrstuhlinhaber an der Theologischen Fakultät der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

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