Salzburger Hochschulwochen 2023: Warum wir mehr Weniger brauchen
An den Salzburger Hochschulwochen haben dieses Jahr zum ersten Mal auch eine Gruppe von Studierenden und Dozierenden der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg teilgenommen. 5 Teilnehmer:innen haben ihre Eindrücke zum Programm, das unter dem Motto "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen" stand, formuliert.
Zum Theologietreiben in mediterraner Voralpen-Atmosphäre laden alljährlich die „Salzburger Hochschulwochen“ ein, an denen in diesem Jahr zum ersten Mal auch eine Gruppe von Studierenden und Dozierenden der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg teilgenommen hat. Während der Hochschulwochen, der renommiertesten theologischen Summer School im deutschen Sprachraum, erwartete sie ein buntes Programm aus Vorträgen, Workshops und einem reichhaltigen Kulturprogramm, etwa Konzerte und Theateraufführungen im Rahmen der Salzburger Festspiele. Unter dem diesjährigen Motto „Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen“ regten eine Vielzahl von Disziplinen, von der Theologie und Ethik über Psychologie und Medizin bis hin zu Agrar- und Abfallwissenschaften, zum akademischen Austausch an. Auch die Teilnehmenden aus Freiburg haben sich rege daran beteiligt und in Hörsälen und auf Uni-Fluren, aber auch bei einem Cappuccino in der Salzburger Altstadt oder bei einem Feierabendbier im Biergarten darüber nachgedacht, warum wir mehr Weniger brauchen.
Wir haben einige Eindrücke gesammelt:
- Reduktion von Komplexität? (David Schilling)
Eine Veranstaltungswoche zum Thema Reduktion, über 20 verschiedene Veranstaltungen, Referent:innen aus verschiedensten Disziplinen und natürlich verstehen alle das Thema „Reduktion“ in einem anderen Sinn. Vorträge und Theorien, die sich teilweise ergänzen, teilweise widersprechen, teilweise in völlig verschiedenen Welten stattfinden. Am Ende weiß man nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Nachdem nun Konsum, Emissionen, Diskurse, Institutionen, Operationen und Weidevieh nach den verschiedensten Seiten hin reduziert und konzentriert worden sind und nur das Allerwesentlichste noch übrig bleibt, ist wenigstens eine Sache klar:
Eine Reduktion von Komplexität steht erst einmal nicht an. Vielleicht ist es das, was von den diesjährigen Salzburger Hochschulwochen bleibt: Auch eine auf alle Wesentlichkeiten reduzierte Gesellschaft bleibt eine moderne, pluralistische, multipolare, ultrakomplexe und trotz aller wissenschaftlicher Strenge undurchdringbare Welt, mit der wir nicht ohne weiteres fertig werden.
- Aufstehen, Krone richten, weitermachen? (Stephanie Gans)
Aufstehen, Krone richten, weitermachen – kann uns dieser Postkarten-Ratschlag in Zeiten einer ökologischen Krise weiterhelfen? Aufgrund eines Übersetzungsfehlers aus dem Hebräischen kam es zu einer fatalen Stellung des Menschen in der Schöpfung. Bis heute sind von Gen 1,26ff Interpretationen zu finden, die den Menschen als Krone der Schöpfung deklarieren. Dieses unheilvolle Motiv untergräbt das egalitäre Motiv in der Anthropologie und ist meiner Ansicht nach endlich zu überwinden. Die zu Anfang zitierte Provokation suggeriert eine schnellere Lösung des Problems und ein allheilendes Mantra für alle Lebenssituationen zu geben. Warum dies nicht einfach auf die ökologische Krise anwenden? Die Krone ist das Problem. Es muss eine Reduktion, als Konzentration auf die dem Menschen übertragene Verantwortung vorgenommen werden, um das zerstörerische Potenzial des Menschen gegenüber der restlichen Schöpfung zu minimieren. Hier gilt es den Menschen als Teil der Schöpfung richtig zu verstehen. In diesem Fall bedeutet Reduktion also weniger Status Krone und mehr Verantwortung für die Gestaltung der Welt. Deshalb mein Gegenvorschlag: Aufstehen, Krone abwerfen, Verantwortung übernehmen!
- Was meint denn nun eigentlich „Reduktion“? (Christoph Koller)
In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und die Sorge um Klimawandel allgegenwärtig sind, verstehen wir den Begriff der Reduktion fast zwangsläufig ökologisch.
Die Salzburger Hochschulwochen wollten die Idee vom „mehr Weniger“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Und dennoch bleibt am Ende der Woche bei mir der Eindruck, dass das Verständnis von Reduktion in erster Linie ein ökologisches ist und der Begriff eigentlich deutlich gründlicher und systematischer durchdacht werden sollte.
Aber dafür müssten alle Wissenschaftsdisziplinen, auch Geisteswissenschaften wie die Theologie in der öffentlichen Debatte viel präsenter sein. Ist es also in der Theologie und angrenzenden Fächern gar nicht so, dass Reduktion das Mittel der Wahl ist? Gilt angesichts der gewaltigen Umbrüche, die wir erleben nicht gerade das Gegenteil? Bräuchten wir statt weniger eher mehr, nämlich mehr Theologie, Philosophie, Ethik?
- Einmal im Jahr in Salzburg „Jedermann“ sein (Anne Fischbach)
„Bürgerlich“ – das kommt mir jedes Mal in den Sinn, wenn ich in Salzburg bin. In ganz unterschiedlicher, ja sogar konträrer Hinsicht, denn einerseits wird Salzburg beherrscht vom Großbürgerlichen – im Sommer während der Festspielsaison einmal mehr: Die große Kunst, die Tradition und bewegte Geschichte sogar der meisten Kaffeehäuser, die unaufgeregte, weil seit langem eingeübte Weltgewandtheit. In Salzburg strotzt alles vor dem, was das Bürgertum definiert: Bildung und Besitz. Andererseits steckt genau hierin auch das Kleinbürgerliche, das in Salzburg an vielen Stellen so auffällig augenscheinlich wird. Die Milieu-Enge der Kleinstadt, das abschätzige Mustern derer, die aufgrund von Kleidung oder Sprache als nicht zugehörig – als nicht bürgerlich – definiert werden.
Salzburg, die ganze Stadt, – und nicht nur der Domvorplatz, der das explizit ist – kommt mir wie eine Bühne für den von Hugo von Hofmannsthal stilisierten „Jedermann“ vor. Wen hatte Hofmannsthal wohl vor Augen, als er den Jedermann entworfen hat? Untertitelt hat er sein Stück jedenfalls als „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Die ausgefeilte Raffinesse, die vermeintliche Sicherheit und Behaglichkeit, die man sich durch Bildung und Besitz schaffen kann, ist nicht von Dauer. Die Metapher vom Sterben des reichen Mannes beweist sich gerade in unserer Gesellschaft als höchst sinnig, das Stück spielt sich vor unserem Auge ab – die Klimakrise ist da, davon zeugen Wetterphänomene, die, von der Organisatorin der Salzburger Hochschulwochen höchst charmant zusammengefasst, an nicht allzu fernen Orten katastrophenartige Zustände auslösen. Auch die bürgerliche Gemütlichkeit von Salzburg sieht sich während unseres Aufenthalts von der immer weiter anschwellenden Salzach bedroht. Sich angesichts dieser Zustände über tiefergehende Ressourcen von Sicherheit Gedanken zu machen: kein leichtes Unterfangen. Wir haben die Herausforderung angenommen und für mich kann ich sagen, dass ich die Möglichkeit genossen habe, die die Salzburger Hochschulwochen Studierenden bieten: In Salzburg einmal im Jahr „Jedermann“ sein zu können.
- Auf der Jagd nach dem nächsten Bild (Kathrin Senger)
Unseren Aufenthalt in Salzburg durch die Linse von Instagram begleiten – diese Aufgabe war mir zugefallen. Und während wir so von Veranstaltung zu Veranstaltung, von Café zu Biergarten, zum Mozarteum und wieder zurück tingelten, war ich im ersten Moment meist auf der Jagd nach einem guten Bild, danach bei der Bearbeitung und oft erst im dritten Moment so richtig bei mir und in der Wahrnehmung dessen, was eigentlich gerade um mich herum passiert. Wenn ich selbst nicht dabei sein konnte – es gab viele Parallelveranstaltungen – so kam von mir immer: „Schickt mir ein Bild!“ Wie eine Momentesammlerin kam ich mir manchmal vor, immer auf der Suche nach noch mehr Content. Eigentlich ironisch beim Thema „Reduktion“ – oder doch eher symptomatisch für eine Veranstaltungswoche, in der so viele verschiedene, sich teils widersprechende und zusammenhangslose Vorträge stattfanden, dass man manchmal schier den Überblick verlor.
Mehr Achtsamkeit, mehr Lustwandeln, nur ausgewählte Veranstaltungen besuchen und ja: mehr Reduktion – das sind meine Vorsätze für die nächsten Salzburger Hochschulwochen.
Wer uns nachträglich durch die Woche begleiten möchte, findet unseren Weg durch die diesjährigen Salzburger Hochschulwochen auch auf Instagram unter dem Highlight „SHW 2023“.
David Schilling, Stephanie Gans, Christoph Koller, Anne Fischbach, Kathrin Senger,
Weitere passende Beiträge
Diskutieren Sie mit uns!