Rom in einer besonderen Woche – Studienfahrt April 2025

Für fünfzehn Freiburger Studierende der Theologie und Caritaswissenschaften startete das Semester letzte Woche mit einer Studienfahrt nach Rom. Gemeinsam mit Studierenden der Sozialen Arbeit der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (Standort Köln) verbrachten wir fünf Tage in der Stadt, die vergangene Woche in allen Schlagzeilen stand. Während manche sich bereits auf der Reise nach Rom befanden, kam die Meldung, dass Papst Franziskus verstorben ist. Schon da zeichnete sich ab, dass dieses Seminar mit dem Titel: „Zwischen Armut, Macht und Vielfalt – Kirche in Rom als Kristallisationspunkt gegenwärtiger Spannungen“ eine besondere Prägung erfahren würde.

Die Idee des Seminars: die Kontraste von Weltkirche erleben. In Rom trifft kirchlicher Prunk auf radikal gelebte Nächstenliebe. Wir wollen diesen Ort besuchen und ein Gefühl für Weltkirche bekommen – die sich in Rom in ihrer Größe und ihrer Bodenständigkeit beiderseits zeigt. Fragen, die wir im Gepäck haben, sind: Wie wird Kirche in Rom und im Vatikanstaat aktiv? Wo konzentrieren sich finanzielle Mittel der Kirche? Welche karitativen Organisationen gibt es und wie unterscheiden sich diese in ihrem Ansatz und in ihrer Arbeit? Und wie passt eine reiche Kirche mit der Kirche für die Armen, für die Papst Franziskus während seiner Amtszeit plädierte, zusammen?

Soft Power des Heiligen Stuhls

Die kirchliche Macht, die wir in dieser Woche in Rom erleben, ist vor allem weltpolitischer Natur. Fast alle Staaten haben eine Botschaft im Vatikanstaat, die diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl unterhält. Michael Schöpf, der Direktor des Jesuit Refugee Services erzählt: „Der Vatikan ist die weltweit am besten informierte Diplomatie.“ Und sie beruht weniger auf Hard Power als vielmehr auf Soft Power: Die Wege sind kurz, „früher oder später kommt immer jemand vorbei“. Bei unserem Besuch bei der deutschen Botschaft im Vatikan sensibilisiert uns der geistliche Konsultor Oliver Lahl dafür, dass der Papst in seinem Auftreten nie nur ein Religionsführer ist, sondern immer auch ein Staatsoberhaupt – und dass das in der Außenrezeption eine wichtige Rolle spielt.

Caritas und Entwicklungszusammenarbeit

Neben der politischen Wirksamkeit des Heiligen Stuhls, sind auch finanzielle Mittel eine Möglichkeit der Kirche, Einfluss auszuüben. Uns interessiert, wo das Geld der Kirche eigentlich hinfließt. Antworten finden wir bei der Vatikanbank und dem Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen.

Die Vatikanbank, mit offiziellem Namen Istituto per le Opere di Religione (IOR), ist eine reguläre Bank, bei der jedoch nur Mitarbeitende des Vatikans sowie kirchliche Institutionen ein Konto eröffnen können. Mit dem Geld investiert und wirtschaftet die Bank wie jede andere auch. Dabei hat sie bestimmte, aus der katholischen Soziallehre abgeleitete Prinzipien. Es wird nicht in Unternehmen investiert, die nicht mit der katholischen Soziallehre konform sind. Die Vatikanbank stand in der Vergangenheit immer wieder wegen Skandalen in der medialen Öffentlichkeit. Der Präsident der Vatikanbank Jean-Baptiste Douville de Franssu betont, dass mit dem Amtsantritt von Papst Franziskus die Bank ihren Kurs stark verändert hat. Das von der Bank erwirtschaftete Geld kommt vor allem karitativen Zwecken zu. Über die Ausgaben darf der Papst uneingeschränkt verfügen. Jean-Baptiste Douville de Franssu erzählt aus persönlichen Gesprächen mit Papst Franziskus. Er verrät uns, dass Papst Franziskus besorgt um die Macht des Finanzsektors war und dass er sich dagegen aussprach, die von der Vatikanbank verwaltete Geldsumme durch eine Öffnung der Konten und Kredite auch für Nicht-Kleriker*innen und nicht-kirchliche Institutionen zu erhöhen. Die Bank solle nicht der Finanzialisierung verfallen und sich aufblähen.

Eine weitere Institution, die dem Heiligen Stuhl direkt unterstellt ist, ist das Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Das Dikasterium wurde 2016 neu formiert und ist in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig. 16 verschiedene Regionalbüros erhalten Gelder vom Dikasterium, die sie ihren jeweiligen lokalen Kirchen zukommen lassen können. Die lokalen Kirchen sollen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort identifizieren und fallspezifisch unterstützen. Betont wird – vor dem Hintergrund des sozialethischen Prinzips der Subsidiarität – der Bottom-Up-Ansatz. Eine Frage aus der Studierendenschaft, die offen bleibt: werden auf diese Weise nicht auch marginalisierte Menschen, die nicht von den lokalen Ortskirchen registriert werden, übersehen?

Ein Highlight: der Besuch beim Jesuit Refugee Service

In unserem Programm stehen auch Besuche bei unabhängigen religiösen Organisationen, die nicht dem Heiligen Stuhl unterstellt sind, auf dem Plan. Zum Beispiel besuchen wir die Laiengemeinschaft Sant’Egidio sowie den bereits erwähnten Jesuit Refugee Service (JRS) des Jesuitenordens – für viele ein Highlight im Programm. Michael Schöpf empfängt uns im internationalen Büro des Jesuit Refugee Service direkt neben dem Petersdom. Er erläutert reflektiert und selbstkritisch seine Rolle als Chef des internationelen Büros der JRS. Er betont, dass es nicht reicht, Hilfspakete zu schicken und unterstreicht die Bedeutung des Da-Seins und Begleitens von Geflüchteten und Flüchtenden. Er fragt provokativ in die Runde „Wenn das Recht nicht (mehr) schützt, wer schützt dann?“. Michael Schöpf erzählt aus seiner persönlichen Erfahrung, wie er im Februar 2022 mit Kolleg*innen an die ukrainisch-rumänische Grenze gefahren ist, um Menschen auf ihrer Flucht eine erste Unterkunft zu vermitteln, ihnen zuzuhören und sie zu fragen, was sie brauchen. Ein Drittel der Mitarbeitenden des JRS sind Menschen, die auf und nach ihrer Flucht selbst vom JRS begleitet wurden und dann in der Organisation Fuß gefasst haben. Bei unserem Besuch bekommen wir den Eindruck, dass es dem JRS gelingt,  Betroffene sprechen zu lassen und nicht nur über Betroffene zu sprechen.

Kürzungen im US-Haushalt und Konsequenzen

Eine Sache, über die wir in dieser Woche immer wieder hören, sind die von US-Präsident Donald Trump veranlassten Kürzungen von 54 Milliarden Dollar in der Entwicklungsbehörde USAID, die hier in Rom fast alle beeinflussen. Das ist Geld, das jetzt schlichtweg fehlt und das sich nicht einfach so ersetzten lässt. Die Konsequenzen sind drastisch: Projekte müssen eingestellt werden, die Stimmung ist bei vielen ernüchtert.

Tag der Beisetzung von Papst Franziskus: Ein ambivalenter Abschluss

In fast allen unseren Besuchen geht es früher oder später auch um Papst Franziskus und sein Wirken. Es ist bewegend, denen zuzuhören, die Papst Franziskus persönlich kannten und regelmäßig mit ihm sprachen. Wenige Tage nach seinem Tod bekommen wir somit einen ungefilterten ersten Eindruck seiner zwölfjährigen Amtszeit. In den Gesprächen schwingt stets sehr viel Respekt vor dem Heiligen Vater mit. Nachhaltig beeindruckt hat Franziskus vor allem mit seiner Zuwendung zu marginalisierten Menschen, seiner klaren Sprache und Forderungen auf der politischen Bühne und seinem Verzicht auf die Vorzüge des Papstlebens. Seine Dienstreisen gingen nicht in die globalen Machtzentren, sondern in Länder des Globalen Südens. Statt im Apostolischen Palast lebte Papst Franziskus lieber im Gästehaus Santa Marta und den  roten Papstschuhen zog er schlichte Kleidung vor.

Samstag, der 26. April, ist unser letzter Seminartag und der Tag der Beisetzung von Papst Franziskus. Vormittags wird die halbe Stadt abgesperrt und es rollen schwarze SUVs mit Staatsvertreter*innen aus aller Welt in Richtung Petersdom. Das Bild das sich uns bietet, ist eine Metapher für das Seminar: der Reichtum und politische Einfluss der Welt, der hier noch einmal für Papst Franziskus anreist, in teurer Karosserie, mit Militärhubschraubern am Himmel und Security an jeder Ecke kontrastiert die Armut und Normalität auf den Straßen, Menschen ohne Obdach, Gläubige, die sich zu Fuß auf dem Weg zum Petersplatz machen und dafür Stunden anstehen. Und daneben findet der ganz normale touristische Alltag statt. Der Trevi-Brunnen zwischen Selfiesticks und PRADA-Werbeplakaten – Rom bleibt multiperspektivisch. Wir verlassen die Stadt mit einem Gefühl dafür, wie Macht und Ohnmacht, Reichtum und Armut hier in Rom zusammenkommen. Und wir realisieren, dass Rom zu groß ist, um in einer Woche mehr als einen Eindruck zu gewinnen. In der Stadt, in der die katholische Weltkirche zu Hause ist, passiert zu viel gleichzeitig.

Organisiert und durchgeführt wurde das Seminar „Zwischen Armut, Macht und Vielfalt – Kirche in Rom als Kristallisationspunkt gegenwärtiger Spannungen“ von Prof.in Ursula Nothelle-Wildfeuer, Lukas Schmitt und Jannik Schwab vom Lehrstuhl Christliche Gesellschaftslehre der Universität Freiburg sowie von Prof. Armin Wildfeuer und Prof.in Karolin Kappler derKatholischen Hochschule Köln.

 

Links:

Website IOR (Vatikanbank) : https://www.ior.va/content/ior/en.html

Leonie Herlan

Leonie Herlan studiert katholische Theologie und Geographie an der Universität Freiburg. Sie ist Fan queer-feministischer Theologien. Ihre Lieblings-Eissorte ist Pistazieneis.

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