Gesund und schön durch digitale Selbst­vermessung?

Apple Watch, Samsung Gear und Fitbit: Seit Jahren sind sogenannte „Wearables” auf den Markt und werden in der Werbung als unverzichtbar präsentiert. Dabei ist die Idee des Trackings körperlicher Aktivität deutlich älter. Wo führt das eigentlich hin? Über das Für und Wider des Self-Trackings.

Mit der Apple Watch, Samsung Gear und Fitbit wurden in den vergangenen 10 Jahren viele sogenannte „Wearables” auf den Markt gebracht und in der Werbung als unverzichtbar präsentiert. Dabei ist die Idee des Trackings körperlicher Aktivität deutlich älter. Bereits im Jahr 1964 vermarktete eine japanische Firma anlässlich der damaligen Olympischen Spiele einen ersten Schrittzähler, der vor allem die Begeisterung an den sportlichen Wettkämpfen fördern sollte. Das Ziel der 10.000 Schritte wurde dabei willkürlich gewählt und erst in den folgenden Jahren auch wissenschaftlich zumindest unterstützt.

Wo führt das eigentlich hin?

Die Idee des Self-Trackings zum Erhalt der eigenen Gesundheit ist also schon lange bekannt und doch hat sie durch die Einführung vieler digitaler Hilfsinstrumente im Zeitalter der Digitalisierung noch einmal einen großen Schub gemacht. Mit dieser Entwicklung sind allerdings auch kritische Fragen verbunden, etwa zum Schutz sensibler persönlicher Daten oder zu Auswirkungen des Trackings eigener Verhaltensweisen mit den sich hieraus ergebenden Folgen für Individuum und Gesellschaft.

Das Für und Wider des Self-Trackings 

Das Self-Tracking oder die digitale Selbstvermessung wird oft in Kombination mit sozialen Medien genutzt. Der Austausch mit anderen und deren mentale Unterstützung können zu einer gesteigerten Motivation führen und zum Durchhalten anspornen. In Folge des permanenten Austauschs kann es jedoch auch zum ständigen Vergleich kommen und das Gefühl von Druck auslösen. In diesem Fall würde die zuvor hilfreiche Motivation in Leistungsdruck und Versagensängste umschlagen.

Die Veröffentlichung der persönlichen Vermessung auf sozialen Medien scheint den Privatpersonen oft unbedenklich. Doch meist ist ihnen nicht bewusst oder bekannt, wer auf diese Daten zugreifen kann. Freund*innen und Kolleg*innen sollen vielleicht davon Kenntnis nehmen und gehören sicherlich zum Unterstützerkreis.

Doch die Reichweite der Veröffentlichungen ist meist größer als gewünscht.

Die Plattformen auf der die Daten geteilt werden verwenden diese zum Beispiel für Werbezwecke oder verkaufen sie zur Gewinnsteigerung weiter. Es ergibt sich durch das digitale Self-Tracking ein hohes Risiko für Datenmissbrauch und einen Eingriff in die Privatsphäre.

Eine digitale Selbstvermessung kann jede Person dazu bringen „Experte für den eigenen Körper“ zu werden. Die Aufmerksamkeit für den eigenen Körper schult die Wahrnehmung. Ein Körper- und Gesundheitsbewusstsein wird durch die gesteigerte Aufmerksamkeit geprägt. Das Tracking ermöglicht den eigenen Körper kennenzulernen, dabei werden Grenzen ausgetestet und deren Überwindung angestrebt. Bei einer permanenten Leistungsüberwachung, beim Überwinden körperlicher Grenzen und der sklavischen Unterwerfung, Ziele zu erreichen, erscheint die Selbstvermessung eher als ein Instrument der Selbstkontrolle.

Eine totale Selbstkontrolle ist indes eine Illusion, da der Mensch aus mehr als nur Zahlen besteht. Der Wunsch nach totaler Selbstbeherrschung kommt jedoch nicht von ungefähr. In unserer Gesellschaft gilt Unkontrollierbares als Gefahr und Kontrolle als ein wesentlicher Wert.

Die Angst vor einem Kontrollverlust führt im Umkehrschluss zum Verlangen nach Selbstkontrolle.

Mangelnde Kontrolle und ineffizientes Handeln sind menschliche Eigenschaften und sollten nicht unterschätzt oder unterdrückt werden. Menschlichkeit in diesem Maße zu verlieren, führt zu einer technifizierten Lebensweise. Bei einem Versuch seinen Körper auf Teilbereiche und Zahlen zu reduzieren, geht die Ganzheitlichkeit sowie die Menschlichkeit verloren. Der Körper wird wie eine Maschine behandelt und ausgebeutet. Diese Herangehensweise führt nicht zu einer besseren Wahrnehmung sondern zu einer Entfremdung von sich selbst als Ganzes.

Lost in Perfection?!

Auch wenn das Self-Tracking auf den ersten Blick viele positive Effekte hat, so dienen diese vor allem unserem eigenen Wunsch nach Kontrolle. Es gilt, das Tracking als „Gift in Maßen“ zu betrachten und sich stets auch der negativen Aspekte wie dem Unterwerfen künstlicher Ziele bewusst zu sein. Im europäischen Rechtsraum sind unsere Daten, insbesondere unsere Gesundheitsdaten, besonders geschützt. Von diesem Recht sollten wir auch in Zukunft stets Gebrauch machen dürfen und mögliche Zwänge auf unser Privatleben durch Institutionen wie Krankenkassen als solche erkenntlich machen. Und auch unser privates Umfeld, Kommiliton*innen, Freund*innen, Sportpartner*innen können durch sportliche Vergleiche unbewusst Zwang auf uns ausüben. So ist, wer nicht wachsam bleibt und sich immer wieder bewusst abgrenzt, schnell dem Drang nach unerreichbarer Perfektion unterworfen.

Magdalena Sütterlin Jana Tepper

Jana Tepper studiert Caritaswissenschaft und Ethik im Master an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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