Drei Fragen an Felicitas Odenthal und Cora Wirs zum Weltjugendtag 2023

Die Theologiestudentinnen Felicitas Odenthal und Cora Wirs haben mit einer Gruppe aus dem Erzbistum Freiburg den Weltjugendtag in Lissabon besucht. Jannik Schwab hat die beiden interviewt.

Zwoelf57: Wenn ihr es in einem Bild ausdrücken solltet: Weltjugendtag ist wie…

Felicitas Odenthal: Eine Woche Festival mit fremden Menschen, die irgendwo aber doch nicht fremd sind.

Cora Wirs: Weltjugendtag ist wie eine riesige bunte Blumenwiese. Es ist ein überwältigender Anblick, geprägt von wunderschöner Vielfalt und von Sonnenstrahlen (und vielleicht auch ein bisschen heiligem Geist) erfüllt. Man kann über die Wiese spazieren und sich diejenigen Blumen ansehen oder auch pflücken, die einem am besten gefallen, um diese dann mit auf den eigenen weiteren Lebensweg zu nehmen. PS: In der Mittagshitze kann es aber auch mal etwas anstrengend sein, diese Fülle an Eindrücken aufzunehmen und die Wiese zu überqueren.

Zwoelf57: Mit 25 weiteren jungen Erwachsenen aus dem Erzbistum Freiburg seid ihr mit dem Bus nach Lissabon gefahren und habt auf der Hinfahrt an Pilgerorten wie Lourdes und Pamplona Zwischenstopps eingelegt. Was war euer schönster Moment während dieser Reise?

Cora Wirs; Bildrecht: Cora Wirs

Cora Wirs: Es gab sehr viele schöne Momente während der Reise, da ist es sehr schwierig, einen einzelnen zu nennen. Ich fand es generell sehr schön, dass wir nicht direkt in den Flieger gestiegen und dann unmittelbar in Lissabon in den Weltjugendtag gestartet sind, sondern dass wir auf unserer Busreise wirklich das Gefühl des gemeinsamen Unterwegsseins erfahren konnten. Vor allem der kurze Pilgertag, an dem wir von Pamplona nach Puente la Reina auf dem Jakobsweg gelaufen sind, bleibt mir als wertvolle Erfahrung im Gedächtnis. Denn Glaube ist für mich ebenfalls eine Reise – ein Unterwegssein mit Gott – und das war für mich sowohl während der Busfahrt nach Lissabon als auch intensiviert auf dem camino deutlich zu spüren.

Felicitas Odenthal: Der schönste Moment der Reise war für mich das Ankommen auf dem Monte del Perdón, der etwa auf halbem Weg unserer Pilgerstrecke auf dem Jakobsweg zwischen Pamplona und Puente la Reina liegt. Der höchste Punkt der Strecke war erreicht und nach einer schönen Wanderung konnte man von oben in die Ferne blicken und hat auch gesehen, welche Strecke man bisher zurückgelegt hatte. Ebenso schön war, dass die Wanderung noch nicht abgeschlossen war und der Weg weiter ging.

Felicitas Odenthal; Bildrecht: Erzbistum Freiburg

Zwoelf57: Angaben der Organisator:innen zufolge haben rund 1,5 Milionen Menschen aus circa 150 Ländern diese sechstägige Großveranstaltung besucht. Hat sich durch diese Veranstaltung eure Sicht auf die katholische Weltkirche verändert? Wenn ja, wie?

 Felicitas Odenthal: Für mich sind solche Großveranstaltungen der katholischen Kirche, wie z.B. auch die Rom-Wallfahrt, immer wieder hilfreich, um zu erkennen, dass es immer noch auf der gesamten Welt viele Jugendliche und junge Erwachsene gibt, die den Glauben teilen und dadurch verbunden sind. Trotz Krisenzeiten und Schlagzeilen zeigen solche Veranstaltungen, dass weltweit gewisses Potential in der katholischen Kirche steckt, sonst würden, zumindest meiner Meinung nach, sich nicht so viele Menschen zu einer solchen Veranstaltung treffen und ihren Glauben teilen und feiern. Auch wenn Weltkirche viel mit kirchlicher Politik zu tun hat und teilweise als Stoppschild für Diskussionen und Reformen wahrgenommen wird, hat gerade der Weltjugendtag gezeigt, dass es auch anders gehen kann. Weltkirche geschieht nicht nur auf politischer Ebene, sondern eben schon ganz niederschwellig. Ich denke, dass das ein Punkt ist, der sich in meinem Denken bezüglich der Weltkirche verändert hat.

Cora Wirs: Verändert würde ich nicht sagen, jedoch konnte man Weltkirche hier nochmal viel direkter erfahren – man war einfach mittendrin.

Wenn ich an Weltkirche denke, kommt mir sofort die Formel „Einheit in Vielfalt“ in den Sinn. Und genau das ist es, was man auch auf dem Weltjugendtag erfährt.

Da fällt mir beispielsweise die Vigil am letzten Abend im Parque Tejo ein. 1,5 Millionen Menschen gemeinsam auf einem Feld – und dennoch vollkommene Stille bei der Anbetung. Das war unglaublich beeindruckend und hat sich für mich wirklich nach Glaubensgemeinschaft angefühlt. Jeder dieser Menschen kam mit einer eigenen Geschichte nach Lissabon, alle befinden sich auf ihrem ganz individuellen Weg und doch gibt es etwas Verbindendes: den Glauben.

Zwoelf57: Ihr beide studiert seit einigen Semestern katholische Theologie in Freiburg. Was habt ihr während eurer Reise (für euer Theologiestudium) gelernt?

Cora Wirs: Auch wenn man dazu vielleicht nochmals neue Angebote auf dem Weltjugendtag schaffen müsste oder gegebenenfalls bestehende Angebote verändern müsste, sehe ich im theologischen Gedanken der Jugend als locus theologicus ein enormes Potential. In diesem Kontext kann man den Weltjugendtag als Event verstehen, das die Jugend in der Kirche zur Sprache kommen lässt und ihnen Partizipation ermöglicht.

Wenn wir uns immer mehr in Richtung einer synodalen Weltkirche bewegen wollen, müssen wir eine hörende Kirche werden – eine Kirche, die auch den nächsten Generationen zuhört, deren Glauben, den Hoffnungen und Wünschen, aber auch ihrer Kritik.

 Felicitas Odenthal: Ich habe für mich mitgenommen, dass es durchaus schwierig ist, seine „Theologen-Brille“ abzusetzen, wodurch man in seinem Kopf quasi immer Verknüpfungen herstellt und alles bis ins kleinste Detail hinterfragt und darüber diskutiert. Allerdings würde ich das nicht als Nachteil o.ä. denken, sondern als großen Vorteil des Studiums. Es ist sehr wichtig, dass Themen aus verschiedenen Bereichen immer wieder in Verbindung gebracht werden, seien sie auch noch so unterschiedlich auf den ersten Blick. Ich würde sagen, dass sich das auch im Studium verwirklicht. Wichtig ist außerdem, die Inhalte des Studiums nicht in einer gedanklichen Schublade zu verschließen, sondern sie immer wieder gedanklich oder in Diskussionen zu erörtern, da so Theologie oder auf einem Weltjugendtag auch Weltkirche gelebt werden kann.

Jannik Schwab

Jannik Schwab promoviert derzeit an der Theologischen Fakultät Freiburg. Er studierte katholische Theologie, Geschichte und Pädagogik und absolviert im Jahrgang der Stipendiat:innen 2022 an der katholischen Journalistenschule ifp in München eine dreijährige studienbegleitende Journalismusausbildung. Seit 2018 arbeitet er am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre in Freiburg und ist Redakteur des Blogs ,zwoelf57'.

Neugierig geworden?
Lesen Sie weitere Texte der Autorin / des Autors:

Diskutieren Sie mit uns!

Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden. Hier geht es zur Datenschutzerklärung.