Berlin theologisch erfahren?! Einmal unters Brennglas, bitte.

Das Theologische Studienjahr am Campus für Theologie und Spiritualität (kurz CTS) in Berlin lebt von Begegnungen mit Akteur:innen aus dem politischen, kulturellen und sozialen Umfeld. Stephanie Gans, Teilnehmerin des ersten Jahrgangs, fasst im Folgenden ihre Erfahrungen der letzten 10 Monate zusammen. Sie beschreibt, was es bedeutet, wenn der Ort mit seinen Menschen die Theologie inspiriert und dadurch von dieser wiederum ernstgenommen wird.

Mein kleines Notizbüchlein ist voll mit Namen und den dazugehörigen wertvollen Erfahrungen mit Menschen, denen ich begegnete innerhalb des Studienjahrs sowie Lieblingszitate, die ich dadurch gesammelt habe. Der erste Eintrag ist zu Beginn meiner Zeit in Berlin auf einer Autorenlesung mit Tomáš Halík und seinem Buch „Der Nachmittag des Christentums“ entstanden. Was bei Halík eine Nebenbemerkung beim Beantworten der Fragen war, hat mich nachhaltig das ganze Jahr begleitet: „Die Wahrheit ist das Buch, das niemand zu Ende gelesen hat.“ Damit ist kein explizites Buch gemeint, sondern dies ist als eine Metapher zu verstehen. Diese Worte luden mich immer wieder ein bei anschließenden Begegnungen mit Akteur:innen in einer Art Such- und Findebewegung Theologie zu betreiben.

Ganz natürlich reihen sich neben den CTS-Räumlichkeiten, meinem Schreibtisch und den Bibliotheken auch Andersorte ein.

Andersorte, da wir uns immer wieder auf den Weg gemacht haben, um zum einen Spezialist:innen zu treffen und zum anderen den Wandel der Gesellschaft sowie Erfahrungen von Menschen der Gegenwart in die theologische Reflexion einfließen zu lassen.

Im Rahmen von dreitägigen Werkwochen, von denen es acht pro Semester gab, hatten wir ca. 55 Begegnungen mit thematisch relevanten Orten und Personen.

Um das Konzept von Werkwochen und die sich darin befindenden Begegnungen besser zu verstehen, möchte ich exemplarisch eine Werkwoche näher betrachten. Im April dieses Jahres haben wir uns mit dem Thema Veränderte Maßstäbe? Ethik und Recht im gesellschaftlichen Wandel beschäftigt. Vieles steht aktuell auf dem Prüfstand. Die gesellschaftlichen Veränderungen betreffen diverse Bereiche und hinterfragen Grundgedanken der Wertevorstellungen und ihre Genese. Um diesen Wandel ernst zu nehmen, sind wir zwei aktuelle rechtliche und ethische Fragen nachgegangen: assistierter Suizid sowie Demokratie und Kirche. Bei Ersterem haben wir uns mit der Würde und dem Schutz des Lebens sowie Autonomie und Freiheit des Menschen beschäftigt anhand von einschlägiger Literatur und kirchlichen Stellungnahmen. Mit diesem Hintergrund haben wir uns aufgemacht, in Richtung Räumlichkeiten der Caritas, um dort mit Frau Prof. Dr. Ulrike Kostka, Caritasdirektorin im Erzbistum Berlin, zu sprechen. Sie ist Spezialistin für das Thema assistierter Suizid und war uns Diskussionspartnerin, auch wenn es darüber hinaus über mögliche Auswirkungen auf kirchliche Einrichtungen ging. Die zweite Begegnung war im Paul-Löbe-Haus mit Herrn Prof. Dr. Lars Castellucci MdB und seinem Gesetzesentwurf zur Suizidbeihilfe und dem Thema gesetzlicher Neuregelung. Zu Zweiterem, dem Thema Demokratie und Kirche, hatten wir eine dritte Begegnung mit Frau Dr. Karlies Abmeier, Vorsitzende des Diözesanrates des Erzbistums Berlin. Dabei haben wir mit ihr über Mitbestimmung und Teilhabe gesprochen und im Vergleich zur katholischen Kirche die Machtlegitimation im demokratischen Rechtsstaat angeschaut.

Theologie betreiben in drei Steps

Step 1 beinhaltet einen Input von Seite der Dozierenden sowie die Auseinandersetzung mit entsprechender Literatur. Dabei kommt es auch schon zu einem gemeinsamen theologischen Austausch in dem beispielsweise Thesen miteinander diskutiert werden. Step 2 geht raus an Andersorte und will durch Begegnungen mit Menschen aus der Praxis das gelernte Wissen verknüpfen und neue Aspekte aus der Realität mithinein nehmen. Dieser Schritt kann sehr wichtig sein für die Theologie, um ihre Relevanz im heute zu erkennen. Step 3 verbindet nun die ersten beiden Schritte. Zurück in den Räumlichkeiten des CTS findet die gemeinsame und aber auch persönliche Reflexion des Erfahrenen durch die Inputs und die Begegnungen statt.

Diese Steps gehen an jedem Ort – warum Berlin?

Sicher lassen sich die drei Steps in allen größeren Städten umsetzen, jedoch ist Berlin aus verschiedenen Faktoren interessant.

Mehr denn je ist mir immer wieder in meinen zehn Monaten in Berlin aufgefallen, dass es die Stadt aller Möglichkeiten ist und einer internationalen Metropole.

Dadurch leben in ihr die geborenen Gesprächspartner:innen, um Theologie als Laboratorium zu betreiben: ein Laboratorium im inspirierenden Umfeld, einem Andersort, wo viele Kontaktpunkte von Politik, Kultur und Sozialem zusammenlaufen

 

Bewerbung für das Studienjahr 2023/24 ist noch möglich!

Informieren Sie sich hier über das Theologische Studienjahr am Campus für Theologie und Spiritualität (CTS) in Berlin

 

Stephanie Gans

Stephanie Gans studiert seit Oktober 2019 an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg katholische Theologie auf Magister. Von Oktober 2022 bis Juli 2023 war sie Teil des Theologischen Studienjahrs in Berlin und legte somit einen theologischen Schwerpunkt auf die Themen Spiritualität, Urbanität und Säkularität.

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