Verantwortung für kommende Religionsprofis

Wer ist eigentlich Dekan? Und was macht er überhaupt? Zwei Studierende der Universität Freiburg gehen der Sache nach.

Ein Interview mit dem Dekan Karlheinz Ruhstorfer

Heute sind wir im Gespräch mit Professor Karlheinz Ruhstorfer, der seit Oktober der Dekan der Theologischen Fakultät Freiburg ist. Aber was macht ein Dekan eigentlich?

Professor Ruhstorfer sitzt in seinem Büro

Professor Ruhstorfer, Quelle: privat

Prof. Ruhstorfer: Ein Dekan leitet und verwaltet eine Fakultät, und in einer gewissen Weise handelt es sich um Management. Konkret erstrecken sich die Aufgaben vom Vorsitz in den Berufungskommissionen und im Fakultätsrat bis zur Finanzverantwortung und der Unterzeichnung der Dienstreiseanträge der Fakultätsmitglieder. Er ist aber auch dafür verantwortlich, dass die Lehrveranstaltungen ordentlich abgehalten werden, und er vertritt und repräsentiert die Fakultät nach außen.

Was hat Ihnen geholfen, diese Aufgabe zu übernehmen?

Prof. Ruhstorfer: Bei dem Antritt meines Amtes hat es mir geholfen, dass ich zuvor schon drei Jahre Prodekan der Theologischen Fakultät war, wo ich mit meinem Vorgänger, Herrn Prostmeier, zusammengearbeitet habe. Zugleich war ich in Dresden schon zwei Jahre Studiendekan der Philosophischen Fakultät. Dort habe ich  gelernt,  wie man mit unterschiedlichen Gremien,  Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch mit unterschiedlichen Studienordnungen umgeht.

Sie sind inzwischen ungefähr 100 Tage in Ihrem Amt. Was ist Ihre erste Bilanz?

Prof. Ruhstorfer: Mühsam, aber es läuft. Am Anfang vermisst man die normale Tätigkeit als Professor und ist überfordert mit den neuen Aufgaben.

Aber irgendwann kommt man auf den Geschmack und hat Lust daran, Neues zu gestalten und neue Leute, Arbeitsfelder und Gremien kennenzulernen.

Konkret z.B. in der Dekanenrunde, wo man die anderen Dekane der Universität kennenlernt und deren Themen und Probleme. Auch wenn unsere Fakultät verglichen mit anderen theologischen Einrichtungen groß ist, so ist sie doch winzig verglichen mit anderen Fakultäten an der Uni. Und da ist es sehr spannend über die Grenzen der Fakultät hinaus zu blicken und mitzuwirken bei der Gestaltung der Zukunft der Universität.

Von Ignatius stammt der Ausspruch „Gott in allen Dingen finden“. Wie finden Sie denn Gott in Ihrem Beruf?

Prof. Ruhstorfer: In wissenschaftlichen Texten  ist mein eigentliches Anliegen, in aller Wissenschaft und durch alle Wissenschaft Gott, die Gottesfrage und die Message der Bibel für unsere Zeit denkbar zu machen. In dieser Zeit, in der es scheint als würden Religion, Kirche und Theologie immer weniger eine Rolle spielen, möchte ich trotzdem vermitteln, dass genau diese Themen etwas sind, was die Menschen angeht, was das Leben des Menschen in ein besonderes Licht taucht. Und dieses Licht sowohl in den wissenschaftlichen Publikationen als auch in der Lehre leuchten zu lassen, ist mir ein persönliches Anliegen. Es geschieht vielleicht sogar noch unmittelbarer und direkter in der Lehre, weil man da auch mal ungeschützt in einem Nebensatz sagen kann, wie man es sich denkt und eine Glaubensaussage machen kann. Das muss nicht unbedingt wissenschaftlich fundiert und fokussiert sein. Auch, um für die Studierenden greifbar zu sein als Mensch, und als jemand der eine Verantwortung übernommen hat, junge Menschen auf dem Weg zu begleiten und auszubilden, Religionsprofi zu werden, und das ist eine Sache, die in der heutigen Zeit viel Gegenwind erfährt. Das sind Berufe – je nachdem, was man macht, sei es in der Schule, sei es in der Gemeinde – wo man sehr angefragt und hinterfragt ist. Und da hat man als derjenige, der ausbildet und Leute in diese schwierigen Berufe schickt, auch eine gewisse Verantwortung. Die spüre ich, und dieser möchte ich gerecht werden.

Mir ist wichtig, diese lebendige Gegenwart Gottes und dieses Erfülltsein von Gott zur Sprache zu bringen.

Angesichts fallender Studierendenzahlen und der steigenden Konfessionslosigkeit innerhalb der Gesellschaft: Welchen Beitrag kann die theologische Fakultät heute für die Gesellschaft leisten?

Prof. Ruhstorfer: Theologische Fakultäten haben generell eine doppelte Aufgabe, nämlich eine Aufgabe nach innen und eine Aufgabe nach außen. Eine Aufgabe nach innen in die Kirchen hinein, um eine Theorieentwicklung für die Kirchen zu fördern, gar nicht mal im Sinne der Ekklesiologie, sondern überhaupt: „Was ist Christentum? Was sind Dogmen, was sind Inhalte, die wichtig sind? Warum Bibel als Grundlage des Lebens nehmen?“. Um es konkret zu machen: Demokratisierung der Kirche und Emanzipationsprozesse. Also warum zeichnet sich die Kirche dadurch aus, dass sie bei Emanzipationsprozessen, die für unsere Gesellschaft total wichtig sind, hinterherhinkt? Und nach außen in dieser Welt, in der  das Christentum immer weniger plausibel ist, ist die Aufgabe zu zeigen, dass Christentum auch diese intellektuelle Komponente hat. Und dass Religion etwas ist, was für die Gesellschaft ein wichtiger Faktor für deren Selbstverständigung und für die Orientierung der Menschen ist. Dass Theologie im Speziellen etwas Wichtiges ist, auch im Konzert von Wissenschaften, das hier durchaus auch die Theologie Impulse geben kann für das Gespräch mit anderen Wissenschaften. Ich erlebe das auch als Dekan, ganz konkret, man wird plötzlich angefragt zu religiösen Themen, wo Dekane von anderen Fakultäten einen plötzlich anfragen: „Wie siehst du das in religiöser Hinsicht?“ und da muss man auch Antwort geben.

Damit kommen wir auch schon zur letzten Frage: Was sind Ihre wichtigsten Ziele für die Fakultät?

Prof. Ruhstorfer: Ich möchte die Fakultäten nach innen hin stark machen in der Hinsicht, dass eine Gesprächskultur entsteht, in der alle Beteiligten aller Statusgruppen, eine Gemeinschaft bilden,  die sich im Gespräch miteinander um die Fakultät kümmern. Ich möchte dahin wirken, dass die Fakultät ihren Ort in der Universität findet, sodass sie für die Entwicklung der Freiburger Universität einen produktiven und kreativen Beitrag leistet und dass deshalb auch die Studierenden in dieser universitären Landschaft zu Hause und eingebettet sind und nicht nur fixiert auf ihre kleine Fakultät sind. Und ich glaube, dass es sich lohnt, die Wirkung der Wissenschaft in die Gesellschaft hinein auszubauen und sich mehr an gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozessen zu beteiligen und hier auch einen Wissenschaftsexport in die Gesellschaft zu leisten.

Mirijam Gierich Lisa-Marie Seeger

Mirjam Gierich studiert kath. Theologie, Germanistik und Anglistik auf Lehramt im ersten Mastersemester an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Lisa-Marie Seeger studiert Theologie im Magister an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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