Mein Thema und Ich – Jannik Schwab

2016 hat die Kongregation für den Klerus die neue internationale Ausbildungsordnung für die Priesterausbildung, die Ratio Fundamentalis Institutionalis Sacerdotalis (RFIS), erlassen, die die Ordnung von 1970 ersetzt. Jannik Schwab hat in seiner Magisterarbeit „Priester-Werden – Aber wie?“ erörtert, inwiefern das in der RFIS skizzierte Priesterbild und die daraus abgeleiteten Ausbildungsinhalte und -formen aus sozialethischer Perspektive weiterentwickelt werden müssen. Unter diesem Anspruch schlägt er vor, die Priesterausbildung nicht mehr nur als Persönlichkeitsbildung, sondern als kompetenzorientierte Berufsausbildung zu konzipieren.

  1. Wie hat das Thema Dich gefunden?

Kommilitonen, die Priester werden möchten, bin ich bereits im ersten Semester begegnet. Aus einigen Begegnungen wurden Freundschaften und ich lernte hierdurch – und auch im Austausch mit den Ausbildern –, das Konzept, die Ziele und Inhalte der Freiburger Priesterausbildung kennen. Immer wieder durfte ich im Studium weitere Ausbildungskonzepte im deutschsprachigen Raum besuchen, etwa in Bonn, Wien und Frankfurt. Welche Aufgaben wollen Priesterkandidaten im Beruf übernehmen? Wird es in den kommenden Jahren überhaupt noch genügend Priester geben, die etwa eine Großpfarrei führen können? Bereitet die Ausbildung die Priesterkandidaten darauf vor, in einer sich wandelnden Kirche zu agieren? Ist die Priesterausbildung kompetenzorientiert? Lernen die Priesterkandidaten mit angehenden Gemeinde- und Pastoralreferent:innen zusammenzuarbeiten? Diese Fragen haben mich im Verlauf meines Studiums umgetrieben und mich daher veranlasst, mich am Beispiel der Freiburger Priesterausbildung mit dieser Berufsausbildung zu befassen.

  1. Was findest Du daran so faszinierend?

Ich hatte das Privileg, fünf Tage im Priesterseminar in Freiburg mitzuleben. In meiner Reportage darüber, die meine Magisterarbeit einleitet, habe ich meine Faszination so zusammengefasst: „Ich fühle mich einerseits in der Gemeinschaft mit den Seminaristen wohl und unterstützt, aber andererseits fremd, weil vieles von dem, worüber sie sprechen und was sie tun, mir fernsteht.“ In einem Priesterseminar, in dem kirchliche Behörden, Ausbilder und Gäste untergebracht sind, zu wohnen, neben dem Studium ein umfangreiches verpflichtendes Programm zu absolvieren und häufig anderen Menschen die eigenen Berufs- und Lebenspläne erklären zu müssen – das kenne ich aus meinem Leben nicht.

Überdies haben sich bisher vor allem Priester mit dem Phänomen Priesterausbildung befasst. Auch deshalb scheint mir eine Außenperspektive auf dieses Thema reizvoll zu sein.

Mir ist es ein Anliegen, die Strukturen und Inhalte der Priesterausbildung zu betrachten sowie zu erörtern, wie die Ausbildung zeitgemäß und gerecht weiterentwickelt werden könnte.

  1. In welchem Fach konntest du mit dem Thema andocken?

Es mag zunächst irritieren, eine Arbeit über Priesterausbildung in der Sozialethik und Fundamentaltheologie zu verorten. Bis auf Ursula Nothelle-Wildfeuer und Hans-Joachim Höhn haben sich nämlich hauptsächlich Dogmatiker:innen, Kirchenrechtler:innen und Pastoraltheolog:innen mit der Priesterausbildung befasst. Fundamentaltheolog:innen interessieren sich hingegen vor allem für die Ämtertheologie. Die Sozialethik versucht (selbst-)kritisch und konstruktiv zu entfalten, wie mehr Gerechtigkeit in gesellschaftlichen Strukturen und Einrichtungen umgesetzt werden kann. Bisher wurden für dieses Anliegen vor allem Einrichtungen außerhalb der Kirche betrachtet.

Die gerechte Gestaltung von Strukturen und Einrichtungen innerhalb der Kirche ist allerdings eine Frage der Glaubwürdigkeit, weshalb mir die Untersuchung der prominenten kirchlichen Einrichtung Priesterausbildung ein Anliegen war.

Meine Arbeit konnte ich auch in der Fundamentaltheologie verorten, weil ich einige Herausforderungen das Priesteramt so, wie es von der Kongregation für den Klerus in der RFIS vorgetragen wird, zu denken, herauspräpariert habe.

  1. Welche wertvollen Entdeckungen hast du beim Schreiben gemacht?

Während des Schreibens konnte ich vor allem drei Entdeckungen machen. Erstens sind weder im CIC, in der RFIS 2016 noch in der gegenwärtig geltenden nationalen Ausbildungsordnung von 2003 andere Wohn- und Ausbildungs-Konzepte als die Seminarausbildung explizit verboten, allerdings ereignet sich die Priesterausbildung im deutschsprachigen Raum hauptsächlich als Seminarausbildung. Zweitens wird sich einer Studie im Auftrag der DBK zufolge der Priestermangel weiter zuspitzen, weil die Milieus, aus denen die Priesterkandidaten stammen, austrocknen. Hierdurch löst sich Matthias Sellmann zufolge „die Priesterschaft auch zunehmend aus der Verankerung der Gesellschaft“[1]. Drittens ist die evangelische Pfarrer:innenausbildung im Vergleich zur katholischen Priesterausbildung im Bereich Spiritualität Sabine Hermisson zufolge kompetenzorientiert: „Die evangelischen Ausbildungsrichtlinien entwickeln Spiritualität von den Anforderungen der künftigen Berufsaufgaben her. Den Texten geht es darum: Welche Fähigkeiten und Kompetenzen im Bereich Spiritualität braucht eine Pfarrerin, ein Pfarrer, um die pastorale Aufgabe gelingend erfüllen zu können?“[2]

  1. Was wird die Leserinnen und Leser vermutlich überraschen?

 Blickt man über den deutschen Tellerrand hinaus, gibt es international beeindruckende Beispiele, um die Priesterausbildung weiterzuentwickeln. Etwa Marie-Dominique Chenu ermöglichte es Christian Bauer zufolge jungen Dominikanern Praktika in Kohleminen, Pariser Markthallen oder Autofabriken zu absolvieren, um so pastorale Erfahrungen zu sammeln.[3] Der einstige Leiter der Münsteraner Priesterausbildung Wilfried Hagemann schlägt etwa vor, dass Priesterkandidaten in der Nähe ihres Studienstandortes zum einen an gewissen Wochenenden in einer Bezugsgemeinde mitleben und mitarbeiten und zum anderen gewisse pastorale Projekte verantworten: „In New York ist der Donnerstag der obligatorische Gemeindetag, wo je nach Studienjahr unterschiedliche Praxisfelder erschlossen werden (Jugend, Religionsunterricht, Krankenhaus, Altenarbeit, Familiengruppen). In Turin ist der Samstag/Sonntag grundsätzlich ein Gemeindetag.“[4] 

  1. Mit wem würdest Du Dich gerne mal über Deine Arbeit austauschen – und warum?

Mir ist es wichtig, meine Einsichten und Konzepte Priesterkandidaten und Ausbildern in der Priesterausbildung skizzieren und für dieselben werben zu dürfen. Die Ausbilder entscheiden nämlich in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Diözesanbischof über die Priesterausbildung und damit darüber, inwiefern Priesterkandidaten in ihrer mehrjährigen Ausbildung befähigt werden, diesen schönen, aber herausfordernden Beruf zu lernen in einer Kirche, die sich derzeit angesichts schwindender Ressourcen und Krisen radikal wandelt.

  1. Wo könnten Deine Erkenntnisse weiterhelfen – und was würde sich damit ändern?

In meiner Arbeit habe ich vor allem begründet, dass ein Ausbildungsvertrag, in dem persönliche und organisationale Kompetenzen aufgeführt sind, zur Lösung der strukturellen Probleme der Priesterausbildung wie etwa die mangelnde Nachfrage an der Ausbildung von möglichen Priesterkandidaten beitragen könnte. Wenn darin geregelt werden würde, nach welchen Kriterien Auszubildende aufgenommen und entlassen werden sowie eine gewisse Ausbildungsphase erfolgreich abschließen können, würde, so denke ich, vor Abhängigkeit und Beliebigkeit schützen und so Ausbilder als auch den Priesterkandidaten helfen. Überdies befähigt eine kompetenzorientierte Ausbildung Priesterkandidaten die Inhalte so zu lernen, dass sie Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln und diese in variablen Situationen anwenden können. Gemeint ist damit, dass Priesterkandidaten lernen, etwa eine spirituell-liturgische Übung wie die ignatianische Schriftbetrachtung in verschiedenen Kontexten zu gestalten. Ob meine Arbeit dazu beitragen kann, dass die Priesterkandidaten in Freiburg und an anderen Standorten, wie in dieser Arbeit vorgeschlagen, kompetenzorientiert ausgebildet werden, bleibt abzuwarten. Denn: Wissenschaft ist Kritik. Vielleicht haben Ausbilder gute Gründe, an bestehenden Konzepten festzuhalten.

  1. Die Arbeit in einigen Hauptsätzen.

Die Argumentation der Arbeit war von der These geleitet, dass das in der RFIS skizzierte Priesterbild und die daraus abgeleiteten Ausbildungsinhalte und -formen aus sozialethischer Perspektive weiterentwickelt werden müssen. Für die sozialethische Auswertung dienten die Sozialprinzipien, die auf die Struktur der Priesterausbildung am Fallbeispiel Priesterseminar Freiburg angewandt wurden. Es konnte zum einen aufgezeigt werden, dass die Autoren der Ratio Fundamentalis die Priesterausbildung ausschließlich als Persönlichkeitsbildung auffassen und darum die anderen Sozialprinzipien in der Ausbildung unbedeutend sind. Obgleich die Persönlichkeit in der Ausbildung gefördert werden soll, konnte zum anderen dargelegt werden, dass die Inhalte der Ausbildung problematisch sind und die Ausbildungsziele nicht kompetenzorientiert formuliert sind. Wie der evangelische Pfarrer:innenberuf wurde in dieser Arbeit auch das katholische Pendant als erlernbare Profession angesehen. Darum wurden persönliche und organisationale Kompetenzen vorgeschlagen, die sich an den Sozialprinzipien orientieren und die Priesterkandidaten in ihrer Ausbildung lernen können.

[1] Bucher, Rainer, Wer wird Priester? Und warum?, online verfügbar unter: https://www.fein- schwarz.net/wer-wird-priester-und-warum/, zuletzt geprüft am 24.04.2024.

[2] Hermisson, Sabine, Spirituelle Kompetenz, eine qualitativ-empirische Studie zu Spiritualität in der Ausbildung zum Pfarrberuf, Bd. 60 (Arbeiten zur Religionspädagogik), Göttingen 2016, S. 186.

[3] Vgl. Bauer, Christian, Umkehr in der Priesterausbildung? Vom klerikalen Schutzhaus zum synoda len Exposureweg, in: Valentin Dessoy u. a. (Hrsg.), Riskierte Berufung – ambitionierter Beruf, Priester sein in einer Kirche des Übergangs, Freiburg 2022, S. 339-359, S. 354.

[4] Hagemann, Wilfried, Neue Wege – Ausgetretene Pfade, Reformansätze für Priesterbildung, in: Peter Klasvogt (Hrsg.), Leidenschaft für Gott und sein Volk, Priester für das 21. Jahrhundert, Paderborn 2003, S. 129-169, S. 134.

 

Jannik Schwab

Jannik Schwab promoviert derzeit an der Theologischen Fakultät Freiburg. Er studierte katholische Theologie, Geschichte und Pädagogik in Freiburg und absolvierte an der katholischen Journalistenschule ifp in München eine dreijährige studienbegleitende Journalismusausbildung. Seit 2018 arbeitet er am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre in Freiburg, seit 2024 dort als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er ist unter anderem Redakteur des Blogs ,zwoelf57'.

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