Theologie (Taylor’s Version). Zur theologischen Auseinandersetzung mit Taylor Swift

Taylor Swift ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Gegenwart. Doch was hat die Sängerin im pinken Pailletten-Glizerbody, die ganze Stadien füllt und die wohl schönsten Liebeskummerballaden schreibt, mit Theologie zu tun? Sarah Scotti geht mit ihrem Beitrag dieser Frage nach und verbindet ihre Antwort mit dem soziologischen Konzept der Resonanz.

Auf dem Bild sind rosa glänzende Glitzerpailletten zu sehen.

Taylor Swifts Musik ist nicht explizit religiös.

Taylor Swifts Alben brechen alle Rekorde, Kritiker*innen und Fans feiern ihre kunstvollen Songtexte und rühmen sie als ein kreatives Mastermind, das in seinen Liedern eine ganz eigene Welt kreiert, in der fiktive Narrationen ebenso einen Platz haben wie die universalmenschlichen Erfahrungen von Liebe und Leiden. Mit ihrer ausverkauften Eras-Tour ist Swift derzeit auf dem (bisherigen!?) Zenit ihrer Karriere. Auch an der akademischen Welt geht die Swift-Begeisterung nicht spurlos vorüber: Neben Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaften und Philosophie lässt sich in den letzten Monaten auch eine vermehrte theologische Auseinandersetzung mit ihr beobachten. Das mag zunächst verwundern. Taylor Swifts Musik ist nicht explizit religiös, im Gegenteil ist sie in der öffentlichen Wahrnehmung eher dafür bekannt, von sehr weltlichen Themen wie Beziehungen oder Liebeskummer zu handeln. Auch die Privatperson Swift thematisiert ihre eigenen religiösen Einstellungen und Überzeugungen kaum. Dass es aber durchaus theologisches Anknüpfungspotential gibt, wurde Anfang Januar in dem an der Universität Wien durchgeführten Workshop „Take us to church, Taylor!“[1] deutlich, welcher sich mit den verschiedenen Spuren von Religion in Swifts Werken und in ihrer Rezeption beschäftigte – diese reichen von den durchaus vorhandenen religiösen Bildern und Motiven ins Swifts Texten, über die religionsähnlichen Strukturen ihrer Fangemeinschaft bis hin zur Diskussion um Taylor-Swift-Gottesdienste. Doch wie kommt es, dass Taylor Swift überhaupt zu einem Gegenstand theologischer Überlegungen wird? Nicht nur fällt sie doch sehr aus dem klassischen theologischen Themenkanon, sondern es könnte auch angemerkt werden, dass es zahlreiche andere berühmte, erfolgreiche und interessante Künstler*innen gibt, die theologisch nicht rezeptiert werden – man nehme an dieser Stelle als Beispiel die Popsängerin Sabrina Carpenter, deren Song Espresso 2024 auf Platz 1 der Spotify-Streams kletterte. Trotzdem wäre der Gedanke, sich aus einer theologischen Perspektive mit ihr zu beschäftigen sehr befremdlich. Warum ist das bei Swift anders? Eine naheliegende Antwort wäre natürlich, dass man an ihr eben nicht vorbeikommt und dass auch die Theologie ein bisschen im Fahrwasser der Swift-Begeisterung mitschwimmen möchte. Doch diese Einschätzung geht meines Erachtens an der Sache vorbei.

Swifts Beitrag für die Theologie

Swift ist interessant für eine theologische Rezeption, weil sie mit ihren Liedern, ihren Auftritten und ihrer Interaktion mit ihren Fans etwas schafft, was der Soziologe Hartmut Rosa mit dem Konzept der Resonanz beschreibt. Der Begriff der Resonanz ist ursprünglich in der Physik beheimatet und bezeichnet dort das induzierte Mitschwingen eines Körpers durch die Koppelung eines anderen schwingenden Körpers. Rosa überträgt dieses Konzept nun auf das Verhältnis von Subjekten zu der sie umgebenden Welt, zu der sie durch das Eintreten in eine Resonanz eine aktive und sinnvolle Beziehung ausbilden. Zentrales Merkmal einer solchen Resonanzerfahrung ist es, dass in der Begegnung mit der Umwelt und durch die Erfahrungen, die das Subjekt mit dieser macht, ein tiefes Berührtwerden ausgelöst wird. Wichtig ist, dass Resonanz nicht einfach nur ein passiver Widerhall oder ein Echo ist, sondern dass durch das Berührtwerden und Mitschwingen eine Art antwortende, aktive Haltung zu dem Auslöser der Resonanz konstituiert wird. Bezogen auf die konkrete Lebenswelt kann eine Resonanzerfahrung als eine Erfahrung gekennzeichnet werden, die das Individuum mit seinen eigenen biographischen Erfahrungen, Prägungen und Persönlichkeitsstrukturen so berührt, dass es sich dadurch angesprochen fühlt und in eine antwortende Beziehung eintritt. Damit ist ein Phänomen oder eine Erfahrung, die Resonanz auslöst von einer unmittelbaren Relevanz für das eigene Leben.

Taylor Swift als „Meisterin der Resonanz“

Diese Überlegungen von Rosa werden bei Taylor Swift besonders anschaulich greifbar – sie ist die Meisterin der Resonanz. Mit ihren Liedern und ihren Auftritten bringt Swift in ihren Fans etwas Existenzielles zum Klingen. So beschrieb ein Swift-Fan ihre Erfahrungen: „Ihre Songtexte gehen mir so nah. Und für jede Phase meines Lebens gibt es einen Song, der das so sehr repräsentiert.“[2] Swift stellt ihren Fans durch ihre Texte eine Deutefolie für das eigene Leben zur Verfügung, mit deren Hilfe Erfahrungen bewältigt, in einen größeren Zusammenhang eingebettet und in das eigene Leben integriert werden können. Zudem verweisen die Resonanzerfahrungen, die Menschen mit ihr und ihrer Musik machen, auf fundamentale anthropologische Sehnsüchte: nach Aufgehobensein, nach wirklichem Verstandenwerden, nach Trost und nach einer sinnvollen Deutung der eigenen Lebenserfahrungen, die für das eigene Leben stimmig und tragfähig ist. An dieser Stelle zeigt sich ein Anknüpfungspunkt für eine theologische Auseinandersetzung mit Taylor Swift. Denn auch Religion hat den Anspruch, ein Resonanzraum für diese fundamentalen Sehnsüchte des Menschen zu sein. Das Phänomen Taylor Swift kann für die Theologie interessante neue Impulse geben, die Frage nach Resonanzmöglichkeiten und nach dem, was von Relevanz für eine Selbst- und Wirklichkeitsdeutung ist, weiter auszuloten.

[1] Vgl. https://religion.orf.at/stories/3228385/.

[2] Der Taylor-Swift-Effekt. Pop-Ikone und politische Hoffnungsträgerin“, ARTE-Dokumentation, abgerufen unter https://www.arte.tv/de/videos/120464-000-A/der-taylor-swift-effekt/, Minute 33.

 

Quellen:

Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Frankfurt 2019.

 

Links:

Der Taylor-Swift-Effekt. Pop-Ikone und politische Hoffnungsträgerin“, ARTE-Dokumentation, abgerufen unter https://www.arte.tv/de/videos/120464-000-A/der-taylor-swift-effekt/.

 

Theologischer Workshop über das Phänomen Taylor Swift

https://religion.orf.at/stories/3228385/

Sarah Scotti

Sarah Scotti studierte katholische Theologie (Magister) und Philosophie (BA und MA) in Freiburg, Rom und München. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Universität Münster und promoviert zu der Herausforderung des Naturalismus für eine religiöse Deutung von Wirklichkeit.

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