Mein Thema und ich – Kisito Ninpa Fogan: Inkulturation der katholischen Kirche im subsaharischen Afrika
"Die katholische Kirche hat in den ersten Jahrzehnten ihres Evangelisierungswerkes in Subsahara-Afrika in der Inkulturation ein wirksames Zugpferd gefunden. Man sollte allerdings im Blick behalten, dass die Inkulturation ein nie abgeschlossener, sondern ein dynamischer Prozess ist, der die Aktualität der Kirche im Herzen der Menschen beeinflusst." - Kisito Ninpa Fogan über seine Magisterarbeit

- Wie hat das Thema dich gefunden?
Weltweit engagieren sich Katholik:innen als lebendige Steine, um eine Kirche zu bauen, in der sich alle zu Hause fühlen. Schon zu Beginn meines Theologiestudiums waren Begriffe wie Krise und Reform überall zu lesen und zu hören. Im Nachdenken über das kirchliche Leben in meiner Heimat habe ich die Notwendigkeit gespürt, mich mit der Thematik der Inkulturation zu beschäftigen und für eine stärkere Heimwerdung der Kirche in Kamerun und in Subsahara-Afrika im Allgemeinen zu plädieren, denn für manche Gläubigen dort ist das Motto „truly african and truly christian“ noch nicht zur Realität geworden. Die Teilnahme an manchen geschätzten traditionellen Ritualen hinterlässt oft den Eindruck, ein Doppelleben zu führen, denn diese werden meistens in der Kirche (noch) als fragwürdig oder sogar heidnisch bezeichnet.
- Was findest du daran so faszinierend?
Besonders interessant für die Thematik der Inkulturation ist meiner Meinung nach der Inkarnationsgedanke, wenn man die Zentralität der Menschwerdung Gottes für die Theologie und für das Christentum überhaupt bedenkt. Um den Inkarnationsgedanke deutlicher darzustellen, verwendete das Dekret Ad Gentes das Bild vom Saatkorn, das die Nährstoffe des bereits existierenden Bodens aufnimmt und reiche Früchte trägt (vgl. AG 22). Im nachsynodalen apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa wurden die tiefe religiöse Verwurzelung und das spirituelle Bewusstsein afrikanischer Völker besonders hervorgehoben (vgl. EA 42), was zur Folge haben soll, dass die Evangelisierung auf bestehenden religiösen Überzeugungen und Praktiken aufbauen könnte, anstatt sie zu verdrängen.
- In welchem Fach konntest du mit dem Thema andocken?
Das Thema der Inkulturation lässt sich in verschiedenen Fachgebieten verorten. Ich habe meine Arbeit allerdings in der Pastoraltheologie verortet, denn sie befasst sich auf interessanter Weise mit der Anwendung theologischer Erkenntnisse in der kirchlichen Praxis und im Alltagsleben der Gläubigen. Inkulturation spielt hier eine große Rolle, da sie den Dialog zwischen Glauben und Kultur fördert.
- Welche wertvollen Entdeckungen hast du beim Schreiben gemacht?
Es lassen sich sowohl in der Literatur als auch in den Gesprächen mit heutigen Laien, Ordensleuten und Klerikern Indizien für eine progressive Inkulturation in der Kirchengeschichte Subsahara-Afrikas in verschiedenen Bereichen wie der Liturgie, der Ekklesiologie und der Katechese finden. Die Gläubigen zeigen Freude und Hoffnungen in Bezug auf die Inkulturation und haben den Wunsch, die Kirche mit ihren kulturellen Ressourcen weiter zu bereichern.
- Was hat Dir geholfen, durchzuhalten und mit der Arbeit fertigzuwerden?
Der Wunsch, eine praktische und lebensnahe Arbeit für Katholik:innen Subsahara-Afrika zu schreiben, hat mich angespornt, durchzuhalten und mein Bestes zu geben. Ebenso motivierend war die Unterstützung von meinen Gutachter:innen und Freunden von der Fakultät, ohne deren Hilfe ich oft stehen geblieben wäre.
- Was wird die Leserinnen und Leser vermutlich überraschen?
Ganz viele Sachen glaube ich! Ich nenne mal zwei Beispiele:
Erstens: In Subsahara-Afrika ist das Gottesbild nicht unbedingt anthropomorph und die Frage nach dem Geschlecht Gottes ist offen, denn man kann sich Gott sowohl als Mann als auch als Frau, ja sogar als agender oder mit mehreren Geschlechtszugehörigkeiten vorstellen.[1] Daher wäre exemplarisch die Änderung des Terminus „Vater“ durch „Eltern“ im Vater-Unser-Gebet unproblematisch.
Zweitens: Auch wenn im Moment westliche Stimmen im Vordergrund stehen, gewinnt die Frauenfrage in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara an Bedeutung, wobei der „Circle of Concerned African Women Theologians“ beachtenswert für die Frauenordination argumentiert.[1]
- Mit wem würdest Du Dich gerne mal über Deine Arbeit austauschen – und warum?
Ich würde gerne mit einem Diözesanbischof vor Ort ins Gespräch kommen und ihn dann versuchen zu überzeugen, die Pastoralpolitik im Hinblick auf die Inkulturation zu intensivieren. Laut kirchlichem Gesetzgeber sind Diözesanbischöfe als Erste dafür verantwortlich, sowohl das liturgische Leben (vgl. Can. 835) als auch das Werk der Evangelisierung im Allgemeinen in den Teilkirchen zu fördern (vgl. Can. 782).
- Wo könnten Deine Erkenntnisse weiterhelfen – und was würde sich damit ändern?
Dies könnte dazu beitragen, dass religiöse Botschaften und Praktiken besser in die kulturellen Kontexte der kirchlichen Gemeindemitglieder integriert werden, was wiederum die Akzeptanz und das Engagement der Gemeinschaft stärken würde.
- Die Arbeit in sieben Hauptsätzen.
Die Evangelisierung Subsahara-Afrikas ab dem 19. Jahrhundert stellte eine große Herausforderung dar aufgrund der Distanz zwischen der christlichen Welt und den kulturellen Realitäten vor Ort. Im Laufe der Zeit wurden die Einheimischen progressiv von Objekten zu Subjekten der Mission bzw. der Pastoral. Erheblich vorangetrieben wurde die Inkulturation vom Zweiten Vatikanum, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung kultureller Besonderheiten in der kirchlichen Praxis. Die Kirche in Subsahara-Afrika ist jedoch weiterhin vom Phänomen der Exkulturation getroffen. In Zukunft ist es sinnvoll, den Inkulturationsprozess zu intensivieren und auf bislang wenig berücksichtigte Themen wie Priesterzölibat, Ahnenkult, die Frauenfrage und den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen auszudehnen. Dazu bräuchte es unter anderem eine lernende Haltung bzw. einen Paradigmenwechsel in der Pastoral und die Bereitschaft, Risiken einzugehen.
[1] Vgl. Chirinda, Felicidade, Christian and African concepts of God for liberation, in: Sinenhlanhla Chisale / Rozele Bosch (Hrsg.), Mother earth, Mother Africa and Theology, Cape Town 2021, S. 75–85, S. 76.
[1] Vgl. Healey, Joseph, Towards an african narrative theology, New York 1996, S. 81. Siehe dazu auch: Donders, Joseph, Einfluss der christlichen Kultur auf das afrikanische Menschenbild, in: Ansgar Paus (Hrsg.), Kultur als christlicher Auftrag heute, Salzburg 1980, S. 337-388, S. 349.
Kisito Ninpa Fogan
Kisito Ninpa Fogan kommt aus Kamerun und hat Mitte Dezember 2024 sein Theologiestudium in Freiburg abgeschlossen. Er ist seit rund zehn Jahren Mitglied der Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Priester, denn er fühlt sich berufen, Priester mit Herz zu werden. Zurzeit bereitet er sich auf die Diakonenweihe vor und ist dafür im Gemeindepraktikum in der Pfarrei Hl. Geist in Neustadt an der Weinstraße.
Weitere passende Beiträge
Diskutieren Sie mit uns!