Mein Thema und Ich – Julia Klär

Julia Klär studiert seit 2017 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Derzeit befindet sie sich im Master of Education mit den Fächern Kath. Theologie, Deutsch und Politikwissenschaften. Ihre Arbeit wurde mit dem Becker-Staritz-Preis der action 365 im Jahr 2024 ausgezeichnet. Für den Blog hat sie neun Fragen zu ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Not OK, Boomer! Eine sozialethische Reflexion über die Gerechtigkeit der Generationen angesichts der Klimakrise“ beantwortet.

  1. Wie hat das Thema Dich gefunden?

Ich bin Jahrgang 1998 und je nach soziologischer Generationeneinteilung ein Mischwesen aus Millennial und Gen Z. Work-Life-Balance und Flexibilität müssten mir also wichtig sein, ich sei aber auch ein absoluter Digital Native und hätte ein starkes Gerechtigkeitsempfinden. Wenn daran auch sicher nicht alles stimmt, kann ich mich im letzten Punkt wiederfinden. Besonders die Klimaproteste von Fridays for Future seit dem Jahr 2019 haben mich in dieser Hinsicht sehr geprägt, da sie mitten in meine Studienzeit fielen.

Ich habe damals erst begriffen, dass die Bewältigung der Klimakrise für meine Generation eine lebenslange Herausforderung bleiben wird. „Aber warum gerade wir? Wir haben die Klimakrise doch nicht allein verursacht!“ fragten damals viele auf den Protesten und äußerten ein Gefühl intergenerationeller Benachteiligung gegenüber den ‚Boomern‘. Zeigt sich hier ein gesellschaftlicher Generationenkonflikt? Diese Frage war erster Impulsgeber für meine Arbeit.

  1. Was findest Du daran so faszinierend?

Klimaschutz ist kein Thema, was allein die Jüngeren interessiert. Gerade die Klimabewegung hat gezeigt, wie viele Menschen, Kinder, Eltern, Großeltern, sich für die Zukunft des Planeten einsetzen wollen. Ich finde es sehr problematisch, diesen gesellschaftlichen Konsens über Klimaschutz durch eine Schulddebatte zwischen Jung und Alt zu riskieren. An die Generationenfragen in der Klimakrise muss man also anders herangehen, um ihr Potenzial zu heben. Wie Generationengerechtigkeit gedacht werden kann, um in der Klimakrise zur Bewahrung der Schöpfung intergenerationell handlungsfähiger zu werden, ist das, was mich an diesem Thema fasziniert.

  1. In welchem Fach konntest du mit dem Thema andocken?

Meine Arbeit habe ich am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre bei Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer geschrieben. Sowohl das Sozialprinzip Nachhaltigkeit, besonders herausgearbeitet durch Markus Vogt, als auch Arbeiten sozialethischer Theoriebildung wie z.B. die Monographie ‚Intergenerationelle Gerechtigkeit‘ von Werner Veith haben mir in der Erarbeitung weitergeholfen. Mein Studium der Politikwissenschaften und meine Bachelorarbeit, in der ich mich schon viel mit sozialen Bewegungen befasst habe, hat mich im ersten Schritt der Analyse deutlich weitergebracht.

  1. Welche wertvollen Entdeckungen hast du beim Schreiben gemacht?

In Bezug auf Generationengerechtigkeit angesichts der Klimakrise wurden in der ethischen Theoriebildung in der Vergangenheit v. a. die langfristigen Auswirkungen heutigen Handelns für die noch nicht lebenden Generationen fokussiert, z. B. in den Arbeiten von Hans Jonas, Dieter Birnbacher und m. E. auch John Rawls. Die heute jungen Menschen werden allerdings selbst bereits zu den zukünftig stark Betroffenen der Klimakrise gehören. Deshalb lässt sich die Gerechtigkeit der Generationen angesichts der Klimakrise nicht mehr nur als abstrakte Zukunftsfrage behandeln, sondern wird auch in synchronen Generationenstrukturen relevant. Eine christlich-sozialethische Reflexion dieser Thematik kann aber die weitreichende Zukunftsperspektive, die diachrone Dimension von Gerechtigkeit, nicht vernachlässigen, will sie doch auch die Verantwortung gegenüber den noch nicht geborenen Nachkommenden in dieser Frage berücksichtigen. Es müssen also beide Dimensionen, synchrone und diachrone Generationenrelationen, miteinander verknüpft werden.

  1. Was hat Dir geholfen, durchzuhalten und mit der Arbeit fertigzuwerden?

Mir hat besonders der Austausch mit meinen Komiliton:innen geholfen, die zeitgleich mit mir Abschlussarbeiten geschrieben haben und mit denen ich eine Art Leidensgemeinschaft mit langen Tagen in der UB und vielen Besuchen im Café Libresso bilden konnte. Außerdem war für mich der Austausch mit meiner Betreuerin, besonders wenn es einmal gehakt hat, sehr gewinnbringend.

  1. Was wird die Leserinnen und Leser vermutlich überraschen?

Es hat mich selbst überrascht, wie viele unterschiedliche Bedeutungen der Begriff ‚Generation‘ vereint. Schaut man auf die zeitlichen Strukturen können damit alle gleichzeitig lebenden Menschen gegenüber den noch nicht geborenen gemeint sein (diachrone Ebene). Es können aber auch unterschiedliche Altersgruppen innerhalb der gleichzeitig lebenden Menschen gemeint sein (synchrone Ebene). Diese lassen sich dann nochmal in familiale Generationen, also Kinder, Eltern, Großeltern, und soziologische Generationen, z. B. Boomer und Gen Z, unterscheiden.

  1. Mit wem würdest Du Dich gerne mal über Deine Arbeit austauschen – und warum?

Ich würde mich gerne einmal mit unserem Bundeskanzler darüber unterhalten, warum Klimaschutz in der Politik oft so gegenwartsorientiert diskutiert und kommuniziert wird, obwohl die gravierendsten Auswirkungen der Klimakrise die heutigen Kinder und Jugendlichen und deren Kinder ertragen werden müssen. Politische Verantwortung gilt nicht nur gegenüber den heute lebenden Generationen, auch wenn diese im Gegensatz zu den zukünftigen zur Wahlurne gehen können. Gerade die noch ungeborenen Generationen sind besonders vulnerabel, weil sie in der Gegenwart keine Rechte einklagen können. Ich würde daher gerne mit ihm über eine Selbstverpflichtung des Staates auf Generationengerechtigkeit im Grundgesetz sprechen.

  1. Wo könnten Deine Erkenntnisse weiterhelfen – und was würde sich damit ändern?

Die Arbeit kann dabei helfen, die Perspektive auf Generationengerechtigkeit in der Klimakrise zu ändern: Weg von einem Schulddiskurs zwischen Boomern und Gen Z hin zu einer verbindenden intergenerationellen Solidarität, die die Bedürfnisse der Generationen der Gegenwart wahrnimmt und sie in das Verantwortungsgefüge zu den nachkommenden Generationen stellt. Mit einer solchen Haltung wäre es möglich, Generationenstereotype abzubauen und mehr Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen in Familie, Gesellschaft, Politik, Recht und den globalen Beziehungen zu schaffen.

  1. Die Arbeit in sieben Hauptsätzen.

Fridays for Future und Co. haben es durch ihre Proteste deutlich gemacht: Die heute jungen Menschen werden zu den zukünftig stark Betroffenen der Klimakrise gehören.

Die Gerechtigkeit der Generationen angesichts der Klimakrise kann daher nicht mehr nur als abstrakte Zukunftsfrage behandelt werden, sondern sie muss als Verknüpfung von synchronen und diachronen Generationenstrukturen gedacht werden, um verschiedene intergenerationelle Verantwortungsebenen von unterschiedlicher zeitlicher Reichweite miteinander zu vernetzen.

Zentral ist dafür das Verständnis, dass eine Gerechtigkeit der Generationen nicht allein durch eine faire Aushandlung der Schutzpflichten und CO2-Sparraten über die Generationen zustande kommen kann, wie es etwa die Theorie von John Rawls nahelegt und politische Praxis ist.

Die christliche Orientierung an der Beteiligungsgerechtigkeit kann hier ein Korrektiv sein, denn sie stellt die Ermöglichung von Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft unabhängig von Verursacherpflichten und temporären Interessen in den Mittelpunkt.

Beteiligungsgerechtigkeit kann in der Klimakrise im Handeln konkret werden, indem intergenerationelle Solidarität vernetzt über die verschiedenen Zeitebenen in Gang kommt.

Es kommt dabei darauf an, zu verstehen, dass jeder Mensch mit seinen heutigen Generationenverflechtungen auch schon Teil der Solidaritätsbeziehungen in die Zukunft hinein ist.

Nur wenn die Generationenbeziehungen aber heute schon bewusst solidarisch und auf die nähere und fernere Zukunft hin gestaltet werden, haben auch die zukünftig Nachkommenden eine Chance, im heutigen Handeln in Familie, Gesellschaft, Politik, Recht und den globalen Beziehungen schon vorzukommen und ein gutes Leben angesichts der Klimakrise zu leben.

Julia Klär

Julia Klär studiert Theologie, Germanistik und Politikwissenschaft auf Lehramt an der Albert-Ludwigs- Universität in Freiburg. Foto: Jonas Conklin

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