Ein Leben für die Sprachen. Ein Nachruf auf Norbert Kilwing
Norbert Kilwing starb am 20.12.2022. Vierzig Jahre führte er Sprachkurse in den für die Theologie vorauszusetzenden Sprachen durch. Ein Nachruf von Jean-Pierre Sitzler, der bei ihm Latein, Griechisch und Hebräisch lernte und später sein Büro-Kollege war.
Norbert Kilwing hat als Lektor für die alten Sprachen Jahrzehnte von Studierenden an der Theologischen Fakultät in Freiburg geprägt. Mit ihm und seinen Sprachkursen verbinden viele, die an der Fakultät studiert haben, die ersten Semester ihres Studiums. Am 20. Dezember des vergangenen Jahres ist Norbert Kilwing verstorben, weshalb an dieser Stelle nochmals an ihn und sein Wirken erinnert werden soll. Auf welcher Sprache er sich wohl nun mit Gott und anderen Verstorbenen unterhalten wird, bleibt ein offenes Geheimnis. Wenn man vom christlichen Verständnis ausgeht, dass das ganze Menschsein, die Prägung des eigenen Lebens Auswirkungen auf das ewige Leben hat, dann wird Norbert Kilwing mit vielen Menschen auf vielerlei Art und Weise kommunizieren.
Vierzig Jahre unterrichtete Kilwing
Kaum ein Theologiestudierender lernte vor dem Studium alle für die Theologie vorauszusetzenden Sprachen: Latein, Griechisch, Hebräisch. So „musste“ jede:r, der oder die das Theologiestudium in Freiburg auf sich nahm, durch die Kurse und Prüfungen von Norbert Kilwing. Wer sich weiter vertiefen wollte, konnte auch Aramäisch bei ihm lernen. Sogar Studierende der Judaistik nahmen an seinen Kursen teil. Vierzig Jahre lang führte er die Sprachkurse durch und so konnten manche Studierenden seiner letzten Lehrjahre sogar berichten, dass sogar die eigene Mutter oder der eigene Vater schon bei ihm gelernt hatte. Das war im besten Sinne generationenübergreifender Unterricht.
Als Norbert Kilwing im Jahr 2013 von der Theologischen Fakultät verabschiedet wurde, geschah dies in für heutige Zeiten einzigartiger Weise: Peter Walter, der schon 2019 verstorbene Lehrstuhlinhaber für Dogmatik, hielt eine lateinische Laudatio mit biblischen Zitaten auf Griechisch und Hebräisch. Diese Laudatio hat vermutlich nur Norbert Kilwing gänzlich nachvollziehen können, ihm zur großen Freude. So fühlten sich seine Schüler:innen allein durch die Anrede in der Laudatio zurück in die Sprachkurse versetzt: „Care Norberte!“
Nicht nur die Sprachkurse waren prägend.
Die regelmäßig angebotenen Lektürekurse zum Alten und Neuen Testament zogen zwar nicht immer viele Studierende an, da sie einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand darstellten, galten aber als eine grundlegende Einführung in die Bibelkunde. Wer denkt, dass Norbert Kilwing nur dem „Alten“, also den „toten Sprachen“, zugewandt war, irrt sich jedoch. In den Kaffeepausen an den Arbeitsbereichen für Altes und Neues Testament brachte er immer aktuelle, moderne, technische Themen ein. Untrennbar war seine Arbeit mit der Arbeit eines Desktopcomputers mit Apfellogo verbunden, auf dem er Bibelkonkordanzen und Lexika nutzte und für die Studierenden Vokabel- und Grammatikheftchen erstellte.
Fachlich war Norbert Kilwing ein Kenner der Sprachen, der antiken Autoren und der Bibel. Im größeren Stil wissenschaftlich gearbeitet, wenn man unter wissenschaftlichem Arbeiten in erster Linie ein großes Publikationsverzeichnis versteht, hat er jedoch nicht. Gleichwohl stellte er sein Wissen den Professor:innen, dem Mittelbau und den Studierenden stets zur Verfügung. Einzig ein Artikel im Neuen Bibel-Lexikon über „Fieber“ (1991), drei Artikel in „Biblische Notizen“ (1978, 1979, 1980) und ein Artikel über das hebräische und griechische Seelenverständnis in der Festschrift für Hubert Irsigler, der ehemalige Lehrstuhlinhaber für das Alte Testament, von 2010 sind von ihm veröffentlicht. Auf Grund seines großen, fundierten, biblischen und sprachlichen Wissens hätte er sicherlich weitaus mehr publizieren können. Bei all seinem Wissen ist er immer bodenständig, freundlich und menschlich geblieben. Das ist ihm hoch anzurechnen.
Ein wertgeschätzter Kollege
Innerhalb der Theologischen Fakultät war Norbert Kilwing ein stets anerkannter, wertgeschätzter Kollege. Unvergesslich ist sein Auftritt als Nikolaus auf einem der Fakultätsfeste. Den langen, weißen Bart hatte er schon und das goldene Buch offenbarte manch lustige Anekdoten und Begebenheiten der Fakultät. Das Besondere an diesem Auftritt: Er konnte nicht nur über den Dozentenkreis etwas sagen, sondern auch sich selbst „auf die Schippe nehmen“: „Wo ist denn dieser Norbert Kilwing, dieser Punktezähler? Hat er etwa Angst vor mir, dem Nikolaus?“ So viel Selbstironie zeigt, wie humorvoll, freundlich, aber auch direkt er war.
Lieber Norbert,
du warst Generationen von Studierenden ein (Sprach-)Lehrer und zudem für viele ein langjähriger, treuer und kritischer Kollege und hast die Theologische Fakultät über Jahre hinweg positiv geprägt. Mögest du das schauen, was du theologisch vorgedacht und auch selbst geglaubt hast. Mit dem lateinischen Friedensgruß „Pax et bonum, Norberte“ verabschieden wir uns und sagen Lebwohl.
Jean-Pierre Sitzler
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